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Kolluvien am Ipf
Paläoumweltbedingungen und anthropogene Landoberflächenveränderungen im Umfeld des frühkeltischen Fürstensitzes auf dem Ipf am Westrand des Nördlinger Rieses: Charakterisierung, Datierung und Interpretation kolluvialer Sedimente
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Projektbeschreibung



Kolluvien, Auelehme und (An)moorböden als Geoarchive der Landschafts- und Besiedlungsgeschichte

Kolluvien bestehen aus umgelagerter Bodensubstanz, die durch Wasser und/oder Wind von höheren Geländepositionen abgespült bzw. ausgeweht und weiter unten wieder abgesetzt wurde. Erreicht das Material die Tiefenlinie und wird dort von einem Vorfluter aufgenommen und weiter verfrachtet, kann es bei Hochwasser auch als Auelehm angelandet werden. Vor allem in schmalen Tälern findet an Bach- oder Flussrändern eine Vermischung der Auelehme mit seitlich von den Hängen eingetragenen kolluvialen Sedimenten statt.

Offene, nicht permanent von einer Pflanzendecke geschützte und durch anthropogene Bodenbearbeitung beanspruchte Landoberflächen – vor allem also ackerbaulich genutzte Areale – sind besonders stark von Erosionsprozessen betroffen. In Mitteleuropa entstanden mächtige Kolluvien und Auelehme daher erst mit dem Sesshaftwerden des Menschen und seiner In-Kultur-Nahme der Landschaft, die mit einer Abholzung der natürlichen Walddecke verbunden war. Während der verschiedenen Menschheitsepochen vom Neolithikum bis in die Gegenwart lief phasenweise, jeweils einhergehend mit einem Anwachsen des Bevölkerungsdrucks, ein erhöhter Bodenabtrag ab, was sich heute im Aufbau der Ablagerungen widerspiegelt.

Moore und Anmoore treten an Stellen im Relief auf, wo über stauendem Untergrund oder durch fortwährenden Hangwassereinfluss eine hohe Wassersättigung im Boden herrscht. Dies führt zu Sauerstoffmangel, so dass abgestorbene Tier- und Pflanzenreste nur teilweise abgebaut werden und sich daher anreichern. Im bodenkundlichen Sinne müssen Moore einen mindestens 30 cm mächtigen Torfhorizont mit einem Humusgehalt von über 30% aufzeigen. Bei geringeren Werten spricht man von einem Anmoor. Im Laufe der Zeit wird immer mehr unzersetzte organische Substanz übereinander gestapelt. Wie bei den Kolluvien und Auelehmen ergibt sich somit im Profil von unten nach oben eine Abfolge von älteren zu immer jüngeren Schichten.

An Hand von Artefakten oder durch naturwissenschaftliche Methoden datierbaren Bestandteilen, wie z.B. Samen, Holzkohle oder Knochen, lassen sich kolluviale Sedimente sowie fossile Auelehm- und (An)moorhorizonte zeitlich einordnen, d.h. einer bestimmten Kulturepoche zuweisen. Mehrere unterscheidbare Ablagerungen in einem Profil übereinander erlauben daher Aussagen zur Besiedlungsvergangenheit sowie zur einstigen Landnutzung in seiner Umgebung. Bei guten Erhaltungsbedingungen und günstiger räumlicher Verteilung der Geoarchive im Gelände sind flächenhafte Angaben zu früheren Umweltverhältnissen und Landschaftsveränderungen möglich.
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Geoarchive am Westrand des Nördlinger Rieses

Der Ostalbkreis weist eine große Anzahl archäologischer Fundstellen auf, die zeitlich bis in das Paläolithikum zurückreichen. Gerade am Westrand des Nördlinger Rieses ist eine Konzentration von Siedlungsnachweisen zu vermerken, die sich außer mit dem Vorhandensein klimatisch und bodenkundlich geeigneter Flächen für Feldbau sicher auch mit strategischen Vorteilen (Verkehrslage, markante Bergkuppen) erklären lässt. Als Rohstoff früher Eisenverarbeitung dürften zudem die Bohnerzvorkommen im benachbarten Härtsfeld große Bedeutung gehabt haben. Anzahl und funktionelle Differenzierung der archäologischen Fundstellen in diesem Gunstraum zeigen, dass es sich hier insbesondere um ein Kerngebiet der eisenzeitlichen Besiedlung handelt, das jedoch auch in späteren Epochen immer wieder intensiv genutzt wurde.

Schon mehrfach wurden daher archäologische Großgrabungen am Westrand des Nördlinger Rieses durchgeführt. Im Bereich des frühkeltischen Fürstensitzes auf dem Ipf finden im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1171 seit April 2004 verschiedene neue Arbeiten statt (siehe Projekt "Ipf bei Bopfingen"). Zuletzt wurden auf einem Mitteljura-Geländerücken östlich des Ipfs, nahe dem Weiler Osterholz, Gemeinde Kirchheim am Ries, ein Großgrabhügel sowie mehrere keltische Rechteckhöfe aufgedeckt.

Während dieser Grabungen fielen komplexe kolluviale Ablagerungen auf, die hier teils bereits an den Oberhängen liegen und eng verzahnt mit den archäologischen Befunden auftreten. Weitere Kolluvien ließen sich in Kombination mit fossilen Auelehm- und Torf- oder Anmoorhorizonten auch in den flachen Muldentälern des Gold- und Grundbachs nördlich und südlich des Höhenrückens, sowie in den Tiefenlinien des weiteren Umfeldes zwischen den Flusstälern von Sechta und Eger feststellen. Im gesamten Areal zwischen Ipf und Goldberg bieten sich daher hervorragende Voraussetzungen, die hier abgelaufenen Abtragungsprozesse in unmittelbarer Umgebung der bekannten frühkeltischen Siedlungsplätze zu rekonstruieren und somit Rückschlüsse auf die Besiedlungs- bzw. Nutzungsgeschichte dieses Raumes zu ziehen.
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Forschungsziele und Untersuchungsmethoden

  • Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die Charakterisierung, Datierung und Interpretation der Kolluvien sowie Auensedimente und (An)moorböden zwischen Ipf und Goldberg. Hierzu werden entlang von Transsekten Bodenprofile aus Baggerschürfen und Rammkernsondierungen aufgenommen und beprobt. Zur großräumigen Erkundung des oberflächennahen Untergrunds kommen außerdem geophysikalische Messungen (Geoelektrik und Geoseismik) zum Einsatz. An Hand einer Kombination von paläopedologischen, sedimentologischen, archäobotanischen und -zoologischen Analysen sowie verschiedener Datierungsverfahren (14C/AMS, OSL, archäologische Befunde) wird eine möglichst differenzierte Beschreibung und stratigraphische Gliederung der Ablagerungen angestrebt.

  • Mittels dieser hoch auflösenden Umweltrekonstruktion soll eine Korrelation der Abtragungs- mit den Besiedlungsphasen vom Neolithikum bis zur Gegenwart erreicht werden. Dabei ist zu prüfen, welche Faktoren für eine Kontinuität bzw. Diskontinuität der Besiedlung am Westrand des Nördlinger Rieses verantwortlich sind.

  • Durch die vergleichende Analyse naturnaher Waldstandorte und eine Bodenkartierung im Umfeld der vor- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätze sollen die ursprünglichen Standortverhältnisse vor den anthropogenen Eingriffen rekonstruiert werden.

  • Geologisch umfasst das Untersuchungsgebiet in den Tälern sowie mit dem Geländerücken (460-540 m ü.M.) zwischen Ipf und Goldberg zum einen Flächen im Mitteljura mit seinen Wechsellagerungen aus Ton- und Sandsteinen. Hingegen ist der Ipf (668 m ü.M.) selbst als mächtiger Zeugenberg der Schwäbischen Alb aus den Kalken des Oberjuras aufgebaut. Im Osten werden außerdem Teile des unmittelbaren Kraterrandbereichs des Nördlinger Rieses bearbeitet, der sich aus einem kleinteiligen Schollen-Mosaik unterschiedlicher Gesteinseinheiten zusammensetzt. In die Betrachtungen fließen somit Areale mit ganz verschiedenen Relief- und Substrateigenschaften ein, was die Herausarbeitung eventueller Abweichungen in der Nutzungsgeschichte ermöglicht.

  • Übergeordnetes Ziel ist somit eine möglichst differenzierte Rekonstruktion der Paläoumwelt zwischen Ipf und Goldberg für verschiedene Zeitscheiben der Siedlungsgeschichte, wobei der Hallstatt- und Latène-Zeit eine zentrale Bedeutung zukommt. Geklärt werden soll insbesondere auch die Frage, ob mit der frühkeltischen Besiedlung im Zuge der Herausbildung des Fürstensitzes auf dem Ipf erstmals eine großflächige anthropogene Erschließung des Gebiets stattfand, bzw. wie die menschlichen Umwelteingriffe dieser Epoche in die Gesamtentwicklung einzuordnen sind.

  • An Hand der gewonnenen paläogeographischen und archäologischen Erkenntnisse werden unter Einsatz eines Geographischen Informationssystems (GIS) Landschaftsmodelle der rekonstruierten Umwelt- und Besiedlungsphasen erstellt.
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Letzte Änderung: 21.09.2007