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Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse
Zur Genese und Entwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes
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Das Forschungsprogramm des DFG-SPP 1171

Von prägender Bedeutung für die Entwicklung der europäischen Geschichte waren historische Prozesse, die sich um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. nördlich der Alpen vollzogen. Den Beginn dieser Veränderungen markiert um 600 v. Chr. die Entstehung der nordwestalpinen Späthallstattkultur, die maßgeblichen Anteil an der keltischen Ethnogenese hatte, ihren Abschluss die Devolutionsphase des 4. Jahrhunderts v. Chr., die in der keltischen Völkerwanderung resultierte.

Archäologisch hebt sich die frühkeltische Zivilisation des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. einerseits durch die engen Kontakte zur mediterranen Welt, andererseits durch die Entstehung komplex strukturierter Siedlungszentren (sog. Fürstensitze) und exzeptionell luxuriös ausgestatteter Prunkgräber (sog. Fürstengräber) von den vorausgehenden und benachbarten prähistorischen Kulturen deutlich ab. Die Befunde deuten tiefgreifende soziale Veränderungen an: die Konzentration politischer Macht und ökonomischen Reichtums in den Händen einer privilegierten sozialen Gruppe sowie die damit einhergehende Integration lokaler oder kleinregionaler Gemeinschaften in überregionale Verbände. Die Frage, ob es sich dabei um die Entstehung aristokratischer Dynastien bzw. primärer Königtümer handelt, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Ein wesentlich vertieftes Verständnis dieser frühen, offensichtlich mit ersten Schritten einer Urbanisierung einhergehenden Zentralisierungsprozesse sollte durch eine systematische, auf neue Quellen und Methoden gestützte Analyse der Siedlungsgefüge erreicht werden. Zentrales Anliegen des Schwerpunktprogramms (SPP) war daher die diachrone, sozialhistorische Erforschung jener Prozesse, in deren Verlauf es zur Herausbildung der Fürstensitze kam.

Die Entwicklung und Anwendung neuer Methoden zur sozialhistorischen Interpretation prähistorischer Quellen ist ein dringendes Forschungsdesiderat. Neu in diesem Zusammenhang war das Anliegen des SPP, die Erforschung dieser Problematik vorrangig mit Hilfe der Siedlungsquellen und nicht, wie bisher, der Grabfunde weiterzuentwickeln. Neben der Quellenerschließung durch gezielte Ausgrabungen in Zentralorten und ihrem Umfeld kam dabei der Modellbildung im Rahmen der geplanten althistorisch-archäologischen und kulturgeographischen Projekte zur Analyse besser dokumentierter, analoger Zentralisierungsprozesse tragende Bedeutung zu. Eine methodische Herausforderung war das formulierte Ziel, die mit der Zentralisierung erwartungsgemäß einhergehende kulturelle und politische Integration von Lokalgruppen in überregionale Verbände archäologisch nachzuweisen. Damit wurden beispielhaft auch Fragen der Ethnogenese und der Identifikation von Territorien in ur- und frühgeschichtlicher Zeit thematisiert.

Diese Ansätze, gepaart mit einem paläoökologischen Methodeninstrumentarium und der gezielten archäologischen Erschließung neuen Quellenmaterials, ließen wesentliche Erkenntnisfortschritte erwarten, die über das Thema des SPP hinausweisen und der Archäologie und ihren Nachbarwissenschaften neue methodische und inhaltliche Impulse vermitteln. Um diese Ziele zu erreichen, war eine enge Kooperation von Vertretern archäologischer, althistorischer, kulturgeographischer, geowissenschaftlicher und biowissenschaftlicher Disziplinen notwendig. Regional unterschiedliche Forschungsvoraussetzungen, das aus der Interdisziplinarität resultierende breite Methodenspektrum und die vorgesehene internationale Zusammenarbeit sollten im Schwerpunktprogramm gebündelt werden.


Letzte Änderung: 15.06.2010